Forschungsaufträge im Namen der Kirche statt Aufklärung
Hier erstmal ein Auszug aus der Pressemeldung der Deutschen Bischofskonferenz vom 13.07.2011 – Nr. 104
13.07.2011: Forschungsprojekte zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs laufen an
„WIR WOLLEN DER WAHRHEIT AUF DIE SPUR KOMMEN“
Die Deutsche Bischofskonferenz wird mit zwei wissenschaftlichen Forschungsprojekten die Fälle sexuellen Missbrauchs aufarbeiten. Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen im kirchlichen Bereich, Bischof Dr. Stephan Ackermann (Trier), stellte dazu heute die beiden Projekte in Bonn vor. Nachdem es in einem ersten Schritt der Aufarbeitung um konkrete Hilfen für die Opfer gegangen sei, könne man jetzt die wissenschaftliche Arbeit intensivieren, so Ackermann. „Inzwischen ist auch die Zahl der Opfermeldungen deutlich zurück gegangen, so dass der Zeitpunkt geeignet scheint, die vorliegenden Daten und Fakten wissenschaftlich aufzuarbeiten.“
Bischof Ackermann unterstrich bei der Vorstellung der Forschungsvorhaben, dass es den Bischöfen nicht darum gehe, bei dem stehen zu bleiben, was man an Meldungen von Menschen erfahren habe, die zu Opfern geworden seien. „Wir wollen auch der Wahrheit, die möglicherweise noch unentdeckt in Akten vergangener Jahrzehnte liegt, auf die Spur kommen. Zum anderen wollen wir mit der wissenschaftlichen Erforschung nicht nur formale Statistiken und Zahlenwerke erstellen, sondern mit Hilfe unabhängiger Experten auch Ursachenforschung betreiben, um besser zu verstehen, wie es zu den Ungeheuerlichkeiten sexuellen Missbrauchs durch Kleriker und kirchliche Mitarbeiter kommen konnte.
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Soweit aus der Presseveröffentlichung der deutschen Bischofskonferenz.
Diese Pressemitteilung ist ein weiterer Beweis dafür, dass der kath. Kirche überhaupt nicht an einer offenen seriösen Aufklärung der vielen angezeigten Mißbrauchsfälle gelegen ist. Die bisher an den Tag gelegte Praxis der kath. Kirche im Umgang mit den uns bekannten Opfern zeigt eindeutig, dass bisher in vielen Fällen noch überhaupt keine „konkreten Hilfen“ für die Opfer erbracht wurden, wenn man mal von dem Angebot auf ein „seelsorgerisches Gespräch“ absieht.
Die Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz vom Frühjahr 2010 wurde mehr als ein Jahr lang durch das Verhalten in der täglichen Praxis ad absurdum geführt. Damals hieß es noch „Die Wahrheit aufdecken“ und „Wir wollen eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtnahme, auch wenn uns Vorfälle gemeldet werden, die schon lange zurückliegen. Die Opfer haben ein Recht darauf.“ Nichts von alledem wurde eingelöst, vor allem nicht in den Fällen im Bistum Regensburg.
Das Handeln aller Aufklärer, von den Mißbrauchsbeauftragten angefangen bis hin zu den Personen, die für die Veröffentlichung der Fälle zuständig sind, steht diesen großspurigen Ankündigungen entgegen. Im Bistum Regensburg gab es seither eine einzige Pressekonferenz, zu der bestimmte Pressevertreter ausdrücklich nicht zugelassen waren, in der altbekannte Fälle wiederholt wurden, aber keinerlei konkrete Angaben gemacht wurden zu der Vielzahl von Mißbrauchsfällen, wie auch den Gewaltberichten, die bei den zuständigen Beauftragten eingegangen sind.
Bischof Ackermann hat jetzt dieses Verhalten auch noch verteidigt und damit begründet, dass es erst einer von externen Fachleuten erstellten, differenzierten Analyse bedarf um ein objektives Zahlenbild anzustreben, dass dann möglicherweise veröffentlicht werden könnte. Zu diesem Zweck lohnt sich ein Blick auf die beiden vorgestellten Forschungsaufträge, die dieses Zahlenbild erbringen sollen.
Forschungsprojekt „Der sexuelle Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“
Basis dieser Erhebung sind die vorhandenen Akten in den einzelnen Bistümern. Zum einen darf bezweifelt werden inwieweit diese Akten in Sachen Missbrauch überhaupt vollständig sind. Entsprechend negative Erfahrungen wurden ja bereits bei einer vorweggenommenen Untersuchung der Diözese München-Freising in den letzten Jahren gemacht. Zum zweiten wird sich zu den vielen Fällen, die erst in den letzten 18 Monaten von Opfern öffentlich gemacht wurden kaum irgendeine Aktennotiz finden lassen, da ja in der Regel die Opfer aus dem Umfeld der Täter weichen mussten und insofern keinerlei innerkirchliche Verfahren oder gar Sanktionen durchgeführt wurden. Und schließlich gibt es noch die Fälle, wie beispielsweise Sturmius Wagner bei den Regensburger Domspatzen, der ja zur Tatzeit weder Priester noch Diakon oder Ordensangehöriger war, also komplett aus einer solchen Untersuchung herausfallen würde.
Ebenso wundersam ist auch die Begründung, dass die Langzeituntersuchung zurück bis 1945 nur in „neun ausgewählten Bistümern“ durchgeführt werden soll. Nur weil angeblich eine Untersuchung in den USA ergeben hat, dass man von einigen Bistümern auf das ganze Land schließen könnte. Bei den massiven Unterschieden zwischen den USA und Deutschland allein in soziologischen wie auch sozialen Strukturen und dem völlig unterschiedlichen Status der kath. Kirche in der jeweiligen nationalen Gesellschaft, verbietet sich so ein Vergleich für einen seriösen Forscher von vornherein.
Forschungsprojekt „Sexuelle Übergriffe durch Geistliche in der katholischen Kirche Deutschlands“
Dieses Forschungsvorhaben soll sich ausschließlich auf sexuelle Übergriffe durch katholische Geistliche beziehen, bei denen den jeweiligen Bistümern oder Orden psychiatrische oder psychologische Gutachten über den betroffenen Geistlichen vorliegen. Letztendlich sollen aus dieser Arbeit Präventionsmöglichkeiten abgeleitet werden.
Auch dieser Ansatz ist in einem wesentlichen Punkt fehlerhaft. Geistliche, die nach Aufdeckung ihrer Tat die Kirche verlassen haben, werden sich wohl keiner Begutachtung unterzogen haben, deren Ergebnisse in kirchlichen Akten wiederzufinden ist. Damit wird auch hier eine ganze Tätergruppe von vornherein aus der Untersuchung ausgegrenzt. Was gerade im Hinblick auf Prävention sehr fatal sein kann. Und auch hier werden zusätzlich die neu entdeckten Fälle ausgegrenzt, die aufgrund der juristischen Verjährung keiner Verfolgung mehr unterliegen.
Beide Forschungsprojekte betrifft darüber hinaus noch die Wochen später nachgeschobene Presseerklärung zum Datenschutz, die eine direkte Einsichtnahme der unabhängigen Forscher in die Kirchenakten kategorisch ausschließt. D.h. mögliche „Ungereimtheiten“ in der Aktenlage, die durchaus auch interessante Hinweise sein könnten, bleiben dem Forscherauge vorenthalten. Besonders fatal ist dieses Vorgehen angesichts der Tatsache, dass viele Mißbrauchsvorgänge bekanntermaßen oft nur in merkwürdigen Umschreibungen in den entsprechenden Akten zu finden sind. Bleibt anzumerken, dass man den Ansprüchen des Datenschutzes auch durch andere Maßnahmen problemlos gerecht werden könnte. Stellt sich also auch hier die Frage, was mit dieser Maßnahme tatsächlich verhindert werden soll.
Fazit:
Seriöse wissenschaftliche Arbeit steht auf anderen Fundamenten, als diese beiden Studien. Für ein ehrliches Ergebnis müssten zunächst alle Mißbrauchsfälle, die erst seit Ende 2009 bekannt gemacht wurden in entsprechende Akten gebracht werden und in die Untersuchungen einfließen. So wie diese Untersuchungen jetzt angelegt sind, werden sie Ergebnisse hervorbringen, die nur einen Teil der Wirklichkeit widerspiegeln bzw. nur einen Teil des angestrebten Nutzens erreichen. Daneben werden Sie leider auch dazu dienen, ein verharmlosendes Bild über die Mißbrauchsfälle der letzten 65 Jahre zu vermitteln und die wahren Geschehnisse zu verschleiern. Denn als wesentliches Ergebnis steht schon fest: die Mißbrauchszahlen, die die kath. Kirche bislang öffentlich eingestanden hat, werden bestätigt werden. Alle später aufgedeckten Fälle fallen aus diesen Untersuchungen heraus! Auch ein Weg die Forderung der Deutschen Bischofskonferenz zu umgehen: „Die Wahrheit aufdecken“!
Im übrigen strebt auch keine der beiden Studien das Anlegen einer Statistik an, deren Fehlen Bischof Ackermann als Argument dafür benutzt, dass die deutschen Bischöfe keinerlei Zahlen über die neu aufgedeckten Mißbrauchsfälle veröffentlichen können bzw. wollen. Die Studien dienen vermutlich also nur dem Ziel große Beschäftigung mit dem Thema vorzutäuschen bis sich die öffentlichen Gemüter beruhigt haben und echte Aufklärung zu verhindern.
PS: Wer es nicht glauben will, die „Inhalte“ der beiden sogenannten Forschungsprojekte sind auf wortreichen 15 Seiten nachzulesen auf der Homepage der Deutschen Bischofskonferenz.
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