24. Februar 2015

Zwischenbericht des Bistums Regensburg zur körperlichen Gewalt bei den Regensburger Domspatzen

„Des is‘ genauso, als wenn man von einer zweieinhalb-Kilo-Salami ein hauchdĂŒnnes Scheiberl abschneidet und dem Hund zum Fraß vorwirft“ 
 so kommentierte ein ehemaliger Regensburger Domspatz die Veröffentlichungen des Bistum Regensburg zum Zwischenbericht ĂŒber die körperliche Gewalt in den Einrichtungen der Regensburger Domspatzen (nachzulesen auf der Homepage des Bistum Regensburg). Und leider passt diese Aussage auf diesen Bericht wie die berĂŒhmte Faust aufs Auge.

Nachdem der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer bereits am 25. Januar im Rahmen einer Predigt die Marschoute vorgegeben hatte, durfte der jetzt veröffentlichte Bericht den Bischof natĂŒrlich nicht LĂŒgen strafen und so konnte nur das veröffentlicht werden, was der Bischof in seiner Predigt schon angemerkt hatte: “Zwei der damaligen Verantwortlichen in Etterzhausen und spĂ€ter noch in Pielenhofen haben den jungen Buben durch ihr Terrorsystem, dessen einzige pĂ€dagogische Maßnahme offenbar die körperliche ZĂŒchtigung war, die Hölle bereitet, man kann es nicht anders sagen,“ doch, Herr Voderholzer, man hĂ€tte es anders sagen können und mĂŒssen, wenn man es ehrlich meinen wĂŒrde mit AufklĂ€rung und Aufarbeitung: „Mehr als 20 der damaligen Verantwortlichen in Etterzhausen und in Pielenhofen haben den jungen Buben durch ihr Terrorsystem, dessen einzige pĂ€dagogische Maßnahme offenbar die körperliche ZĂŒchtigung war, die Hölle bereitet, und zwar nicht nur in grauer Vorzeit sondern von 1950 bis 1992 (!) – angefangen vom langjĂ€hrigen Direktor Hans Meier, einer Vielzahl von PrĂ€fekten, Lehrern, Musiklehrern und Instrumentallehrern. Das Bistum Regensburg hat sich mitschuldig gemacht daran, weil es seine Aufsichtspflicht grob vernachlĂ€ssigt hat. Dies gilt insbesondere fĂŒr Zeit nach dem 6. November 1989, als die mittelbayerische Zeitung bereits in einem ganzseitigen Artikel auf die erheblichen MissstĂ€nde aufmerksam gemacht hatte.“ Das wĂ€re dann wenigstens eine vollstĂ€ndige Teilwahrheit gewesen.
Was Herr Voderholzer und seine Mitarbeiter in ihrer Darstellung völlig ausblenden, ist die jahrzehntelange Gewalt in Regensburg, sowohl in Internat und Chor wie auch im Gymnasium. Dieses Verhalten offenbart die Strategie des Bistums, die Verfehlungen sollen auch weiterhin nur auf mittlerweile verstorbene TĂ€ter abgewĂ€lzt werden, die noch lebenden TĂ€ter aus dem Regensburger Internat und Gymnasium wie auch der ehemalige Domkapellmeister Georg Ratzinger sollen „verschont“ bleiben.
Der eigentliche Zwischenbericht von Frau Glaß-Hofmann ist sehr verkĂŒrzt und beschönigend. Das wahre Ausmaß der Gewalttaten wird auf diese Weise nur sehr unzureichend und verharmlosend beschrieben. Uns liegen Berichte von Gewaltopfern vor, von denen einige bereits im Jahr 2010 verfasst wurden und in denen erheblich mehr Personen beschuldigt werden, als dies vom Bistum eingerĂ€umt wird, und dies nicht nur in den „50er Jahren“ wie es der Zwischenbericht suggeriert, sondern mindestens bis 1992. Auch gibt es zahlreiche, eindeutige Berichte ĂŒber die Gewalt am Regensburger Gymnasium/Internat, von all dem ist nichts im Zwischenbericht erwĂ€hnt. Diese Berichte reichen bis in die Mitte der siebziger Jahre hinein. Welche enorme permanente psychische Belastung durch diese allgegenwĂ€rtige Gewaltdrohung auf jedem einzelnen SchĂŒler lastete, bleibt in dem Zwischenbericht ebenfalls weitgehend unbeachtet und findet lediglich im Zusammenhang mit „BettnĂ€ssern“ eine BerĂŒcksichtigung.
Einen weiteren „Offenbarungseid“ leistet sich das Bistum mit der „rechtlichen WĂŒrdigung“ durch den beauftragten Rechtsanwalt Dr. Andreas Scheulen. Er hat sich viel MĂŒhe gegeben mit seiner Aufstellung den tatsĂ€chlichen Umfang der dauerhaften RechtsbrĂŒche in den Einrichtungen der Regensburger Domspatzen zu verschleiern.
Die wesentliche Unterlassung in der Aufstellung besteht in dem Verzicht auf eine Unterscheidung zwischen Schule und Internat, juristisch gesehen besteht dieser Unterschied. Die von RA Dr. Andreas Scheulen geschilderten RechtsumstĂ€nde galten im Wesentlichen tatsĂ€chlich nur fĂŒr die Schulen (Unterrichtszeiten), wobei auch hier völlig unterschlagen wird, dass bereits seit den 1960er Jahren die körperliche ZĂŒchtigung im Schulunterricht durch Mitteilungen und Erlasse des bayer. Kultusministeriums erheblich eingeschrĂ€nkt und bereits um 1970 komplett verboten war, d.h. bereits zu dieser Zeit – im Falle einer Strafanzeige – auch strafrechtlich zu ĂŒberprĂŒfen und ggfs. auch anzuklagen waren. Im Gegensatz dazu waren die körperlichen ZĂŒchtigungen im Internat/Chor zu keiner Zeit durch irgendwelche Rechtsvorschriften/Urteile gedeckt. Das einzige was zu den Internatszeiten in Frage gekommen wĂ€re, wĂ€re das „elterliche ZĂŒchtigungsrecht“ gewesen, dies kann aber nicht als Grundlage oder  Rechtfertigung herhalten, da das elterliche ZĂŒchtigungsrecht nur in ganz besonderen AusnahmefĂ€llen auf Drittpersonen ĂŒbertragbar war. Die Unterbringung in einem Internat war jedenfalls zu keiner Zeit einer dieser besonderen AusnahmefĂ€lle.
Ganz verwunderlich wird diese Veröffentlichung des Bistums, wenn man bedenkt, dass allen ehemaligen Domspatzen, die sich bisher mit Gewaltberichten an die Missbrauchsbeauftragten gewandt haben, eiligst mitgeteilt wurde, dass sie keinerlei UnterstĂŒtzung oder EntschĂ€digung zu erwarten hĂ€tten. Aufgrund dieser Tatsache haben es viele Betroffene in den letzten Jahren verstĂ€ndlicherweise vorgezogen sich gar nicht erst beim Bistum Regensburg zu melden oder gar schriftliche Berichte zu verfassen, was ja fĂŒr die Betroffenen meist eine erneute seelische Belastung bedeutet hĂ€tte. Zu der Frage wie jetzt mit den ĂŒbrigen ein- bis zweitausend ehemaligen Domspatzen verfahren wird, die ebenfalls den Gewaltorgien ausgesetzt waren, aber bislang keinen Bericht beim Bistum Regensburg vorgelegt haben, Ă€ußert sich das Bistum Regensburg ĂŒberhaupt nicht. Das betrifft vor allem auch viele, die heute irgendwo in der Welt leben und anderes zu tun haben, als regelmĂ€ĂŸig auf der Website des Bistums Regensburg nachzusehen, ob sich das Bistum Regensburg doch noch fĂŒr ihr Schicksal interessiert.
FĂŒr uns bleibt der Eindruck bestehen, dass diese kurzfristige Veröffentlichung eines unvollstĂ€ndigen und oberflĂ€chlichen Zwischenberichts ausschließlich dazu dienen soll, weiteren laufenden Film- und Fernsehprojekten das Wasser abzugraben. Mit einer offenen umfassenden AufklĂ€rung und Aufarbeitung hat das nach wie vor nichts zu tun. Dies wird besonders an dem Umstand deutlich, dass das Bistum seine Art der AufklĂ€rung erst im Nachhinein von einer noch zu benennenden „unabhĂ€ngigen Stelle“ prĂŒfen lassen will. Und auch erst dort sollen Kritiker die Möglichkeit haben ihre EinwĂ€nde anzubringen. Wenn das Bistum eines Tages eine Institution mit dieser PrĂŒfung beauftragen sollte, dann arbeitet diese Institution wieder im Auftrag des Bistums und ist damit schon nicht mehr unabhĂ€ngig.
Wir haben nicht vergessen, dass uns das Bistum vor fĂŒnf Jahren auch die Missbrauchsbeauftragten als „unabhĂ€ngig“ verkauft hat, bis sich nach kurzer Zeit herausgestellt hat, dass sie ausschließlich bistumsabhĂ€ngig und weisungsgebunden arbeiten und handeln.
Eine offene AufklĂ€rung und Aufarbeitung aller MissstĂ€nde ist auf diese Weise nicht zu erreichen. Dazu brĂ€uchte es schnellstens einen oder mehrere unabhĂ€ngige „Mediatoren“ die gleichermaßen von den Betroffenen wie auch vom Bistum akzeptiert werden. Unter einer solchen Leitung mĂŒsste dann eine Arbeitsgruppe gebildet werden die zu gleichen Teilen aus ehemaligen Betroffenen auf der einen Seite und den Vertretern des Bistums und der Regensburger Domspatzen auf der anderen Seite besteht. Erst auf einer solchen Basis wĂ€re eine nachhaltige und glaubhafte Aufarbeitung möglich.