Georg Ratzinger’s „Oide G’schichtn“

„Eigentlich gibt der 87jährige keine Interviews mehr. Für unseren Autor … hat er eine Ausnahme gemacht“, so war am letzten Sonntag in einer Zeitung über Georg Ratzinger zu lesen. Und so oder so ähnlich lautet der Text immer in den letzten Jahren, wenn er sich wieder zu Wort gemeldet hat um zu jedem Großereignis – ganz gleich ob es sich um einen Papstbesuch oder eine  Fußballweltmeisterschaft handelt – wieder im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen, denn es kann ja nicht sein, dass die Presse immer nur vom „kleinen Bruder“ schreibt, nur weil der zufälligerweise als Papst fungiert. Und damit er ja genug vom Scheinwerferlicht der veröffentlichten Meinung abbekommt hat er auch gleich noch ein Buch geschrieben, über seinen Bruder, der Papst ist, wir hätten das sonst glatt vergessen.
Augenfällig ist das schon, da erinnert er sich scheinbar detailgetreu an alles, was er mit dem heutigen Papst in Kinder- und Jugendzeit erlebt und gesprochen hat. Oder vielleicht doch nicht? Es lebt ja kaum noch einer, der seinen Schilderungen widersprechen könnte. An die hässlichen und brutalen Ereignisse im Internat der Regensburger Domspatzen kann er sich aber offensichtlich nicht mehr erinnern. Schade eigentlich – eine Darstellung dieser Erlebnisse auf Pressekonferenzen und vielleicht sogar in Buchform würde dem publicitygeilen alten Herrn doch eine viel größere öffentliche Aufmerksamkeit verschaffen als die romantisierenden Schilderungen einer Papstkindheit inmitten einer Blumenwiese.
Wie hat er sich verhalten in den 60er Jahren, wenn die Prügeleien des Wilhelm Freundl bis in seine Wohnung am anderen Ende des Ganges zu hören waren. Hat er sich die Ohren zugehalten? Wenn spielende Schüler zu laut waren hat sich immer seine Wohnungstür geöffnet und er hat sie dann zur Ordnung gerufen.
Wie hat er sich verhalten in den 70er Jahren, als empörte Eltern bei ihm vorgesprochen haben, weil sich der Präfekt Sturmius Wagner an ihren Kindern vergriffen hatte.
Das sind Fragen, die die Journalisten die heutzutage bei Georg Ratzinger vorgelassen werden, natürlich nicht stellen dürfen, aber vielleicht sollte er sie einer interessierten Öffentlichkeit endlich beantworten. Wenn er noch einen Rest von Anstand hat, dann weiß er, dass er das zumindest den Mißbrauchsopfern schuldig ist.
Aber er hat natürlich einen Grund, warum er das nicht tut und auch das Bistum Regensburg weiß genau, warum es keine Aufklärungsarbeit leistet, sondern immer wieder nur öffentliche Scheingefechte führt. An diesem Punkt spielt wieder der jüngere Bruder von Georg Ratzinger die wesentliche Rolle. Der ist es nämlich, der geschützt werden soll. Würde Georg Ratzinger seine Mitwisserschaft öffentlich eingestehen, würde nur allzu schnell die Frage aufgeworfen werden, was hat der jüngere Bruder von den Missständen gewusst. Denn aus früheren zahlreichen Interviews des Georg Ratzinger wissen wir ja, dass die Brüder alles besprochen haben und es wäre mehr als verwunderlich, wenn die Plaudertasche aus der Dompräbende ausgerechnet diese Probleme vor seinem Bruder verheimlicht hätte. Oder war das Verhältnis der beiden doch nicht so innig, dass solch schwerwiegende Probleme aus den Gesprächen tatsächlich vollständig ausgeklammert worden wären?
Deshalb hier nochmals der Appell an den ehemaligen Domkapellmeister. Wenn er schon in der Lage ist die ganz alten Geschichten auszuplaudern, dann wäre es doch jetzt an der Zeit auch die „oidn G’schichtn“ endlich auf den Tisch zu packen. Sein Bruder in Rom wird das schon aushalten, Päpste sind in der Vergangenheit schon über ganz andere Ereignisse einfach zur Tagesordnung übergegangen.