Bewusste Verwirrung oder Schlamperei?

Im Zusammenhang mit den Missbrauchshandlungen des Präfekten Sturmius Wagner sind teilweise sehr widersprüchliche Zeitangaben über die Dienstzeiten aufgetreten, die uns veranlasst haben, die uns zugänglichen Dokumente und Drucksachen detailliert zu überprüfen. Einige der falschen Darstellungen (insbesondere in der „Festschrift 50 Jahre Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen“) sollen hier aufgezeigt werden, da die dort gedruckten Angaben häufig  immer wieder als „Beweismittel“ dienen sollen. Originaldrucksachen aus diesen Zeiten, sowie originale Schülerbriefe aus dem Internat, in denen auch immer wieder Namen genannt werden, haben uns gezeigt, dass diese Angaben in der Festschrift tatsächlich falsch sind.

Die Auflistung der Internatsleiter in Regensburg:
Es werden sechs Internatsleiter genannt. Zwischen dem wg. sexuellem Missbrauch rechtskräftig verurteilten Friedrich Zeitler (1953 – 1958) und Siegfried Lintl (1959 – 1970), dem ebenfalls sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, ist eine Lücke von  einem Jahr. In dieser Zeit führte der ebenfalls wg. sexuellem Missbrauch rechtskräftig verurteilte Georg Friedrich Zimmermann zumindest für acht bis neun Monate das Internat (die zeitlichen Informationen hierüber sind nicht ganz eindeutig).

Nach dem unrühmlichen Ende der Amtszeit von Hubertus Schöner (1970 – 1971) in den Wochen nach den Osterferien des Schuljahres 1970/71 gab es entgegen den gedruckten Angaben zunächst keinen Nachfolger. Der nächste Internatsdirektor Franz Xaver Kohlbeck (1971 – 1975) trat sein Amt tatsächlich erst im Januar 1972 nach den Weihnachtsferien an.

Die Auflistung der „Präfekten“
Die sogenannten Präfekten waren bis in die siebziger Jahre hinein, in der Regel Theologiestudenten, die im Internat wohnten, und neben ihrem Studium den Aufsichtsdienst im Internat versehen hatten, ohne dafür irgendwie ausgebildet zu sein.

Wenn man die Listen in der „Festschrift 50 Jahre Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen“ in ein Zeitformular umarbeitet, sieht man sofort, dass diese nicht korrekt zusammengestellt sind. Speziell in den Jahren 1968 bis 1971 sind die Angaben offensichtlich falsch.

In den Schuljahren 1968/1969, 1969/1970 ist demnach nur Helmut Zandt als Präfekt in der Dompräbende (Klassen 5 und 6) neben dem Leiter der Dompräbende (Hubertus Schöner) tätig gewesen. Im Schulgebäude (Klassen 7 bis 13) wäre ausschließlich der Internatsdirektor Siegfried Lintl für mehr als 250 Schüler tätig gewesen. Im Schuljahr 1970/1971 wäre dann Helmut Zandt alleine in der Dompräbende zuständig gewesen und Hubertus Schöner als Internatsdirektor alleine im Schulgebäude. Einmal davon abgesehen, dass der Betrieb dann sicherlich nicht mehr funktionsfähig gewesen wäre, die tatsächliche Situation war eine andere:

Die drei Präfekten Ludwig Dallmeier, Walter Schnellberger und Sturmius Wagner werden in der Aufstellung seit 1971 als Präfekten im Internat aufgeführt. Aus den Unterlagen, die uns vorliegen, geht eindeutig hervor, dass Ludwig Dallmeier bereits im Schuljahr 1969/1970 im Schulgebäude als Präfekt tätig war (einige Schüler glauben sich zu erinnern, dass er bereits ein Jahr früher begonnen hat, wir haben aber noch keine schriftlichen Belege). Gleiches gilt für die Präfekten Walter Schnellberger und Sturmius Wagner, die gesichert bereits im Schuljahr 1969/1970 bzw. 1970/1971 im Internat tätig waren.

Ohne etwas unterstellen zu wollen, fällt es schon auf, dass ausgerechnet für diese sehr „skandalumwitterten Zeiten“ solch gravierende Abweichungen von der Realität gedruckt werden konnten. Parallel dazu erscheint es mehr als zufällig, dass auch in anderen Berichten derselben Festschrift die „kulturelle Vielfalt“ im Schul- und Internatsleben der späten 60er und frühen 70er Jahre völlig unterschlagen wird. Egal ob es sich um die Theateraufführungen der sehr aktiven Gruppe um Peter P. Pachl bis 1971 handelt, die selbst in der regionalen Presse ein Echo fanden (dafür hausintern mehr geduldet als respektiert oder geachtet wurden)  oder die Schülerzeitungen „Kaffreport“ und  „Geier“, die über ca. 5 Jahre den Versuch unternahmen als Ventil eines weit verbreiteten Schülerunwillens zu fungieren und die Verhältnisse an Schule und Internat zu verbessern.

Persönliche Anmerkung: Bei der umfangreichen Überprüfung der Dienstzeiten fiel uns auf, dass im Jahresbericht 1969/70 der Oberstudienrat Kurt Riedel (Mathematik/Physik) nicht unter den Lehrern aufgeführt ist. Da handelt es sich aber tatsächlich nur um „Schlamperei“ des damals Verantwortlichen für die Zusammenstellung des Jahresberichts. Was hätte etwa die Hälfte der damaligen Domspatzenschüler dafür gegeben, wenn Ihnen dieser „Unterricht“ tatsächlich für ein ganzes Schuljahr erspart geblieben wäre. Aber der gutmütige Karl Regnath (Mathematik/Physik) und der fachfremde Bernhard Suttner (Latein/Griechisch/Geschichte) mit Mengenlehre in der Unterstufe (!) wären wohl völlig überstrapaziert worden.